Trendanalyse - Statements zur Work-Life-Balance


Inhalt:

  1. Hintergrundinformationen
  2. Vergleich der Zahlenwerte: Australien
  3. Vergleich der Durchschnittswerte: Australien
  4. Trendvergleich: Deutschland - Australien
  5. Schlussfolgerungen


1.    Hintergrundinformationen

Im Dezember 2010 wurde Prof. Dr. Richard K. Streich (Comment-Geschäftsführer) im Rahmen einer Auslandsreise von der Firma DB Schenker Australia, dem Goethe-Institut und der australisch/ deutschen Handelskammer zu einem Seminar über die Thematik „Work-Life-Balance im Management“ eingeladen.

 

Die Veranstaltung fand im Goethe-Institut Sydney statt. Im Nachgang zu der Veranstaltung wurden die Teilnehmer per Email mit der Bitte kontaktiert einige zentrale Fragestellungen zu ihrer persönlichen Work-Life-Balance per Fragebogen zu beantworten. Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 07.12.2010 bis zum 29.01.2011. Insgesamt nahmen sieben Personen (vier Frauen und drei Männer) die Gelegenheit war, ihre Einstellungen zur Work-Life-Balance offen zu legen. Die Befragung erfolgte anonym.

 

Die Ergebnisse werden nachfolgend präsentiert. Die Teilnehmer konnten pro Statement zwischen den Werten 1 - 7 differenzieren, wobei die Zahl 1 bedeutet: „Das Statement trifft voll und ganz zu“, die Zahl 7 bedeutet: „Das Statement trifft überhaupt nicht zu“. Die Zahlen 2 - 6 lassen weitere Differenzierungen pro Statement zu.

2.  Vergleich der Zahlenwerte: Australien

Die folgenden Ausführungen betrachten die Fragebogenergebnisse in ihren einzelnen Zahlenwerten pro Statement jeweils nach der Ist-Einschätzung (der Real-Situation) und der Soll-Einschätzung (der Ideal-Situation). Aufgrund der geringen Fallzahl haben die Ergebnisse nur eine bedingte Aussagekraft. Interessant sind dennoch einige Zahlenwerte z.B. in den Relationen vom Ist zum Soll und unter Berücksichtigung der hierarchischen Position der Befragten bzw. Geschlechts (vgl. Anlage 1).

Statement 1: Für mein berufliches Fortkommen opfere ich viel Freizeit

Die Teilnehmer platzierten die Ist-Dimension um den Wert 4, wobei ersichtlich wird, dass je höher die berufliche Position ist, sich die Ist-Bewertung bis zum 2-er Bereich steigert, also das Statement stärker bejaht wird.

Auf der Soll-Dimension wird eher der Wunsch ausgedrückt, weniger Freizeit für das berufliche Fortkommen zu opfern als die Realsituation dies aktuell zulässt.

Statement 2: Mein Beruf geht zu Lasten meiner Familie/Partnerschaft

Die Ist-Werte differenzieren zwischen den Zahlen 2 - 6 in der Selbstwahrnehmung der Teilnehmer. Homogener gestaltet sich die Einschätzung der Soll-Dimension. Es besteht der Wunsch, Beruf und Partnerschaft in Zukunft stärker in Einklang zu bringen.

Statement 3: Meine Freizeit ist mir mindestens ebenso wichtig wie mein Beruf

Die Werte Ist und Soll zeigen bei diesem Statement eine sehr große Überein­stimmung. Die Bandbreite der Antworten sowohl auf der Ist- als auch auf der Soll-Dimension differenzieren zwischen 1 - 3. Offensichtlich gehen alle Beantworter von einer gleich hohen Bedeutung innerhalb ihrer beruflichen Aktivität und ihrem Freizeitverhalten aus.

Statement 4: Für mich kommt es vor allem auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes an

Lediglich eine Person der Befragten äußerte, dass dies für sie voll und ganz zutrifft (Zahl 1). Ansonsten gestalten sich die Einschätzungen auf der Ist-Dimension im mittleren Bereich bei den weiblichen Befragten und mit 5 - 7 bei den männlichen Befragten. Ein ebensolcher Unterschied zwischen den antwortenden Frauen und Männern ergibt sich auf der Soll-Dimension. Die Bandbreite bei den Frauen beläuft sich auf die Werte von 2 - 5, bei den Männern von 5 - 7. Die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes spielt offensichtlich bei nahezu allen Befragten eine untergeordnete Rolle.

Statement 5: Karriere machen lohnt eigentlich nicht

Hier ist ebenfalls eine Diskrepanz zwischen den weiblichen und männlichen Beantwortern im Rahmen der Ist-Einschätzungen festzustellen. Während die Frauen eher diese These als zutreffend einstufen, bewerten die Männer diese eher von untergeordneter Bedeutung, wobei jedoch anzumerken ist, dass diese männlichen Beantworter über Führungsfunktionen verfügen. Auf der Soll-Dimension wünschen sich die Frauen eher eine weniger große Gewichtung ihrer Karriereorientierung als in ihrer realen Lebenssituation.

Statement 6: Für mich ist wichtig, ein möglichst hohes Einkommen zu haben

Bei dieser Fragestellung ergibt sich sowohl bei der Ist- als auch bei der Soll-Abfrage eine Bandbreite der Beantwortungen von 2 - 6. Mehrheitlich spielt das zu erzielende Einkommen keine überragende Bedeutung im Rahmen ihrer aktuellen Arbeitssituation. Dies zeigt sich auch in der Beantwortung nahezu gleicher Zahlenwerte sowohl in der Ist- als auch in der Soll-Dimension.

Statement 7: Der Inhalt meiner Aufgabe ist mir wichtiger als Aufstieg und hohes Einkommen

Dieses Statement wird weit überwiegend als zutreffend sowohl auf der Ist- als auch auf der Soll-Dimension von den Beantwortenden eingeschätzt. Dieses Ergebnis korrespondiert mit dem in Statement 6 abgefragten Motivator Ein­kommen. Alle Befragten (bis auf eine Ausnahme) sind in starkem Maße über die Aufgabeninhalte motiviert.

Statement 8: An meinem Arbeitsplatz ist Kreativität kaum gefragt

Weit überwiegend verneinen die Befragten dieses Statement. Auch hier ist ein Gleichklang zwischen den Einschätzungen auf der Ist- und der Soll-Dimension erkennbar, wenngleich eine genauere Betrachtung zeigt, dass tendenziell durchaus noch mehr Kreativität im Arbeitsvollzug gewünscht wird.

Statement 9: Mit einer verbesserten Arbeitstechnik könnte ich viel Zeit für mich sparen

Die Antworten differenzieren auf der Ist- und Soll-Dimension zwischen den Werten 1 - 7. Diese extreme Bandbreite zeigt auf, dass einige der Befragten durchaus Optimierungs­potenzial im Rahmen ihrer aktuellen und zukünftigen Arbeitsgestal­tung sehen. Bei den männlichen Befragten ist eine große Diskrepanz zwischen den Ist- und Soll-Werten zu konstatieren. Offensichtlich arbeiten sie mit einem für sie aktuell nicht befriedigenden Arbeitszeitmanagement.

Statement 10: Wenn ich an meine Familie/Partnerschaft denke, habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen

Bei dieser Fragestellung ergibt sich eine relativ große Diskrepanz zwischen den Ist-Einschätzungen und der Soll-Dimension im Sinne eines Idealbildes für eine verbesserte Work-Life-Balance-Relation. Alle Befragten bewerten die Soll-Dimension mit den Zahlen 6 bzw. 7, während die reale Situation (Ist) mehrheitlich bejaht wird, also ein eher schlechtes Gewissen vorhanden zu sein scheint.

Statement 11: Auch in der Freizeit und Familie/Partnerschaft denke ich oft an meine Arbeit

Die mentale Bindung an die Arbeitssituation strahlt offenbar über die Arbeitszeit hinaus in die Privatwelt der Probanden, teilweise in sehr starkem Maße. Allein vier Beantworter klassifizierten das Statement auf der Ist-Dimension mit den Zahlen­werten 1 bzw. 2. Auf der Soll-Dimension äußern die Befragten eindeutig den Wunsch zur Reduktion der mentalen Bindung an die Arbeit innerhalb ihrer Freizeit bzw. Partnerschaft.

Statement 12: Mein/e Lebenspartner/in hat öfters etwas an meinem beruflichen Engagement auszusetzen

Dieses Statement wird mehrheitlich sowohl auf der Ist- als auf der Soll-Dimension eher verneint. Demnach bleibt festzustellen, dass die Befragten sich noch mehr wünschen, dass ihr Lebenspartner bzw. ihre Lebenspartnerin die aktuelle Arbeitssituation in Zukunft in stärkerem Maße akzeptiert als aktuell.

Statement 13: Für berufliche und private Probleme habe ich genügend Ansprechpartner in meinem Umfeld

Auf der Ist-Dimension ergibt sich eine Bandbreite der Beantwortung in den Zahlen­werten 1 – 5. Insbesondere die männlichen Beantworter konzertieren hier ein großes Defizit in ihrer realen Lebenssituation. Die Soll-Dimension zeigt eindrucks­voll den Wunsch auf, in Zukunft mehr Ansprechpartner für die eigene Work-Life-Balance-Situation zu haben.

Statement 14: Sportliche Aktivität bedeutet mir viel

Diese Fragestellung beantworten alle Teilnehmer als voll bzw. als teilweise zutreffend im Rahmen ihrer Ist-Einschätzung. Die Soll-Werte verstärken dieses Bild der Bedeutung einer sportlichen Aktivität im Lebenszusammenhang.


3. Vergleich der Durchschnittswerte: Australien

Die vorgenannten Aussagen zu den einzelnen Statements werden durch die in der Anlage 2 ersichtlichen Durchschnittswerten für Ist und Soll pro Statement weiter konkretisiert.


Beachtenswert sind folgende Erkenntnisse pro Statement (1 – 14):

 

1)         Alle Probanden opfern für ihr berufliches Fortkommen nur bedingt ihre Freizeit.

2)         Der Beruf wird eher als nicht so belastend für die Familie/Partnerschaft eingestuft.

3)         Die Befragten schätzen ihre Freizeit in starkem Maße mindestens ebenso wichtig ein wie ihren Beruf und zwar sowohl
auf der Ist- als auch auf der Soll-Dimension.

4)         Die Sicherheit am Arbeitsplatz ist allen Befragten nicht so wichtig, sowohl auf der Ist- als auch auf der Soll-Dimension.

5)         Eine Karriereorientierung wird nur bedingt als lohnenswert angesehen.

6)         Ein möglichst hohes Einkommen wird nicht als ein zentraler Motivator bewertet.

7)         Die Befragten präferieren die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsaufgabe als wichtiger ggü. Aufstieg und hohem
Einkommen.

8)         Die Beantworter arbeiten an Arbeitsplätzen wo Kreativität verlangt wird, wenngleich sie sich noch mehr Kreativität im
Arbeitsvollzug wünschen.

9)         Die aktuell eingesetzte Arbeitstechnik zur Arbeitsbewältigung wird lediglich als befriedigend klassifiziert. Hier besteht
auf der Ideal-Dimension noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.

10)     Eine große Diskrepanz zwischen den Ist- und Soll-Werten ergibt sich auf der „Gewissensseite“ im Wechselspiel zwischen
den beruflichen Herausforde­rungen und der Familie/Partnerschaft. Der höchste „Verneinungswert“ aller Statements auf
der Soll-Dimension zeigt, dass offensichtlich die Arbeitswelt in vielen Fällen ggü. der Familie und Partnerschaft dominiert.

11)     Das o. a. referierte Ergebnis wird gestützt, durch die hohe Diskrepanz zwischen der Ist- und Soll-Dimension bezüglich der
mentalen Bindung an die Arbeit, auch innerhalb der Freizeit und in der Familie/Partnerschaft.

12)     Die Befragten leben bis auf eine Ausnahme alle in einer Partnerschaft. Der Lebenspartner/die Lebenspartnerin spielt in
den Bewertungen des beruflichen Engagements in der Wahrnehmung der Befragten eine mit entscheidende Rolle.
Auf der Soll-Dimension ist offensichtlich noch Verbesserungspotenzial für die Akzeptanz innerhalb der Partnerschaft
für das vorzufindende berufliche Engagement des Beantworters.

13)     Als höchster „Bejahungswert“ auf der Soll-Dimension aller Statements werden Kommunikationspartner mit denen
berufliche und private Probleme diskutiert werden können bewertet.

14)     Als sehr wichtig im Ist und Soll  klassifizieren alle Beantworter die Bedeutung einer sportlichen Aktivität im Rahmen
ihrer Lebensgestaltung.


4. Trendvergleich: Deutschland – Australien

Obwohl die sehr geringe Fallzahl nur sehr eingeschränkt Vergleiche zulässt, können die oben referierten Daten in Beziehung gesetzt werden zu einer Comment-Trendanalyse, die im Jahr 2010 mit mehrheitlich karriereorientierten Berufstätigen durchgeführt wurde. Betrachten wir die Durchschnittswerte der einzelnen Dimensionen (vgl. Anlage 3), so zeigen sich einige bemerkenswerte Differenzen im Ländervergleich.


In der Bundesrepublik wird in weitaus stärkerem Maße die Freizeit für das per­sönliche berufliche Fortkommen geopfert (1). Ebenso wird von dieser Personen­gruppe die These, dass ihr Beruf zu Lasten der Familie/Partnerschaft gehe wesentlich eher bejaht als in der australischen Gruppe (2).


Diese stärkere Berufsorientierung dokumentiert sich auch durch die Einschätzung der deutschen Gruppe, dass im Unterschied zu den australischen Befragten ihr der Beruf wichtiger ist als ihre Freizeit (3). Für beide Gruppen spielt die Sicherheit des Arbeitsplatzes eher eine mittelgewichtige Rolle (4).


Während die australische Gruppe das Statement „Karriere machen lohnt eigentlich nicht“ mehrheitlich bejaht, wird dieses Statement von den deutschen Befragten in wesentlich stärkerem Umfang verneint (5). Im mittleren Feld der Gewichtung für beide Gruppen wird der Motivator „Einkommen“ eingestuft (6). Einig sind sich alle Befragten, dass Inhalt der beruflichen Aufgabe wichtiger ist als Aufstieg bzw. hohes Einkommen (7).


Nahezu gleich wird auch das Statement „An meinem Arbeitsplatz ist Kreativität kaum gefragt“ von beiden Probandengruppen verneint (8). Ebenso gleichgerichtet wird die These bewertet, dass eine verbesserte Arbeitstechnik viel Zeit im Arbeitsvollzug sparen könnte (9).


Beide Gruppen bewerten ihre Ist- und Soll-Einschätzung in ihrer Tendenz ähnlich wenn es um die Frage geht, inwieweit sie manchmal ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie an ihre Familie/Partnerschaft denken (10). Auch das häufige Denken an die Arbeit innerhalb der eigenen Freizeit bzw. Familie/Partnerschaft wird nahezu gleich wichtig eingeschätzt, nämlich auf der Ist-Dimension eher bejahend und auf der Wunsch(Soll)-Dimension als persönliches Ziel für die Zukunft (11).


Ebenfalls in der Tendenz ähnlich werden sowohl auf der Ist- als auch auf der Soll-Dimension die Thesen eingeschätzt, dass der Lebenspartner/die Lebenspartnerin öfter etwas an dem beruflichen Engagement auszusetzen hat (12), dass man genügend Ansprechpartner für die beruflichen und privaten Probleme in seinem Umfeld habe bzw. haben möchte (13) und dass die sportliche Aktivität von hoher Bedeutung ist bzw. sein sollte (14).


5. Schlussfolgerungen

Die referierten Ergebnisse zeigen insbesondere eine große Diskrepanz in der Wichtigkeit der Berufsorientierung. Die deutsche Gruppe ist viel eher bereit Freizeit zu opfern für das berufliche Fortkommen, bejaht in zunehmendem Maße, dass der Beruf zu Lasten der Familie bzw. Partnerschaft gehe und klassifiziert die Wichtigkeit des Berufs über die eigene Freizeit. Es ist nicht verwunderlich, dass sich hieraus quasi als Summe ergibt, dass die deutschen Probanden eine Karriere für lohnenswerter erachten als die australische Gruppe.

 

Dieser Unterschied in der Berufs- und Privatorientierung ergibt sich sicherlich auch durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen innerhalb des Arbeits­vollzugs. Während bspw. in der Bundesrepublik innerhalb des Jahres rd. 35 Tage zur Urlaubsgestaltung zur Verfügung stehen, sind dies in Australien lediglich 20 Urlaubstage. Ebenso scheint die Akzeptanz einer „nine-to-five-workingtime-Einstellung“ in Australien stärker verbreitet zu sein als in der Bundesrepublik.


Die angesprochene höhere Freizeitorientierung in Australien ergibt sich u. U. auch durch die vielfältigen Möglichkeiten in der Freizeitgestaltung im Unterschied zur Bundesrepublik. Insbesondere ist der Zeitraum und die Möglichkeit für ganzjährige Outdoor-Aktivitäten in Australien stärker vorhanden als in Deutschland.


Die vorgenannten Ausführungen sind bestenfalls als Tendenzaussagen zu werten, da die Fallzahl in beiden Probandengruppen zu gering ist, um allgemein gültige Erkenntnisse zu gewinnen. Auch durch die heterogenen Teilnehmergruppen innerhalb der Befragten können keine spezifischen Aussagen gemacht werden. Dennoch ist festzuhalten, dass einige der referierten Ergebnisse den vorsichtigen Schluss zulassen, dass sowohl die aktionale als auch die mentale und ebenfalls die emotionale Bindung an die Arbeit  bei den in Deutschland Befragten weit mehr in deren Privatsphäre hineinreicht als bei den australischen Probanden.


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