Work-Life-Balance von Karriereorientierten


Inhalt:

  1. Biografiedaten
  2. Work-Life-Balance-Fakten
  3. Work-Life-Balance-Statements
  4. Fazit



1. Biografiedaten

Insgesamt wurden bei der COMMENT!-Trendanalyse in 2009 40 karriere­orientierte Personen mit Management-Potenzial befragt. 65% davon lebten in Partnerschaft. Die Partner bzw. Partnerinnen dieses Personenkreises waren zu zwei Drittel ebenfalls voll erwerbstätig. Von allen Befragten waren 37,5% neben der beruflichen Rolle auch in einer Elternrolle. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei ca. 35 Jahren. 7 Personen waren weiblichen, 33 männlichen Geschlechts. Die Gesamtheit der Befragten ist seit rd. 10 Jahren im Berufsleben, wovon ein Drittel eine disziplinarische Führungsposition innehat, i. d. R. in der dritten Führungsebene großer Organisationen. Diese Gruppe ist somit dem Middle-Management zuzuordnen.

2. Work-Life-Balance-Fakten

Bei allen Befragten ist die berufliche Abwesenheit von zu Hause in einer normalen Arbeitswoche, verglichen mit den gesetzlichen Arbeitszeiten, über­durchschnittlich hoch. Sie beträgt bei der Hälfte über 60 Stunden. Die reale Arbeitszeit bei zwei Drittel umfasst über 50 Stunden pro Woche.


Die Befragten sympathisieren etwas intensiver mit den privaten Rollen (Lebenspartner/in, Freund/in, Vater/Mutter) im Unterschied zu den beruflichen Rollen (Mitarbeiter/innen, Kollegen/innen, Führungskraft). Von dem gesamten Rollenspektrum wird die Führungskraft-Rolle am „unsympathischsten“ bewertet.


Fast alle Befragten arbeiten innerhalb der Woche (inkl. des Wochenendes) auch in ihrer privaten Zeit für den Beruf. Im Durchschnitt sind dies ca. 5 Stunden pro Woche. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil das Ziel hat, pro Woche weniger zu arbeiten. Überraschend hierbei ist, dass ein Viertel der Befragten die wöchentliche Arbeitszeit sogar um 10 - 20 Stunden reduzieren möchte.


Der Zeitumfang pro Woche für familiäre bzw. partnerschaftliche Pflichten in der Woche liegt bei rd. einem Viertel unterhalb von 6 Stunden. Die Zeiten für den Lebenspartner/in liegen bei allen Befragten durchschnittlich im 10-Stunden-Bereich (inkl. des Wochen­endes). Mit den Kindern werden (inkl. der Wochenenden) von den Vätern/Müttern im Durchschnitt rd. 6 Stunden verbracht. Bei 20% dieser Teilgruppe sogar nur max. 3 Stunden in der gesamten Woche.


Die selbstbestimmte Freizeit inkl. der Wochenenden liegt bei den Befragten im Durchschnitt bei 5 Stunden pro Woche. Die dabei bevorzugten Freizeitaktivitäten bzw. Interessen sind überwiegend körperlicher Art, gefolgt von geselligen und intellektuellen Aktivitäten.


Bei der Fragestellung bzgl. der Kommunikationsdauer (face-to-face) pro Werktag in Minuten mit dem jeweiligen Lebenspartner wird von 80% eine Zeitspanne unterhalb einer Stunde angegeben. Die Kommunikationsdauer im Face-to-Face-Gespräch zu den Kindern (falls vorhanden) liegt ebenfalls bei über 80% der Betreffenden unterhalb einer Stunde.


3. Work-Life-Balance-Statements

Weiterhin wurden die Befragten gebeten, ihre Einschätzungen zu gewissen Statements im Wechselspiel von Arbeit, Partnerschaft und der eigener Freizeit zu beantworten. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die einge­schätzten Ist-Mittelwerte und Wunschwerte, dokumentiert in der Dimension der Soll-Mittelwerte.


 Dimensionen
 1 = trifft voll und ganz zu bis
 7 = trifft überhaupt nicht zu
Mittelwert
Ist

Mittelwert
Soll

 1.   Für mein berufliches Fortkommen opfere ich viel Freizeit
 2,026 3,469
 2.   Mein Beruf geht zu Lasten meiner Familie/Partnerschaft
 2,811 5,156
 3.   Meine Freizeit ist mir mindestens ebenso wichtig wie mein Beruf
 3,974 3,091
 4.   Für mich kommt es vor allem auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes an
 3,895 4,406
 5.   Karriere machen lohnt sich eigentlich nicht
 5,158 5,226
 6.   Für mich ist es wichtig, ein möglichst hohes Einkommen zu haben
 3,105 3,281
 7.   Der Inhalt meiner Aufgabe ist mir wichtiger als Aufstieg und hohes Einkommen
 2,921 2,844
 8.   An meinem Arbeitsplatz ist Kreativität kaum gefragt
 4,553 4,969
 9.   Mit einer verbesserten Arbeitstechnik könnte ich viel Zeit für mich sparen
 3,816 4,242
 10. Wenn ich an meine Familie/Partnerschaft denke, habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen
 3,083 5,500
 11. Auch in der Freizeit und Familie/Partnerschaft denke ich oft an meine Arbeit
 2,974 5,065
 12. Mein/e Lebenspartner/in hat öfter etwas an meinem beruflichen Engagement auszusetzen
 4,229 5,484
 13. Für berufliche oder private Probleme habe ich genügend Ansprechpartner in meinem Umfeld
 3,189 1,848
 14. Sportliche Aktivität bedeutet mir viel
 2,763 2,031


Betrachtet man die in der Abbildung befindlichen Statements in ihrer Zuordnung zum Ist- bzw. Sollwert, so zeigen sich z. T. große Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Die Befragten stellen fest, dass der Beruf zu Lasten der Partnerschaft bzw. der Familie geht (Statement 2). Gleichzeitig verneinen sie jedoch die Aussage, dass sich Karriere eigentlich nicht lohnt (Statement 5).


Die Karriereorientierung korrespondiert z.B. mit einem schlechten Gewissen, wenn man an die Familie/Partnerschaft denkt (Statement 10), wobei ein Veränderungsdruck durch den Partner/die Partnerin - der/die zu zwei Drittel ebenfalls voll erwerbstätig ist - nur bedingt gegeben ist (Statement 12). Die mentale Bindung an den Beruf konkretisiert sich in der Diskrepanz zwischen Ist und Soll im Statement 11. Der lange Arm der Arbeit erreicht auch die persönliche Lebenssphäre. Der Wunsch, mehr Ansprechpartner für berufliche und private Probleme im jeweiligen sozialen Umfeld zu haben, ist auf der Soll-Dimension ebenfalls stärker ausgeprägt als in der Ist-Einschätzung (Statement 13).

4. Fazit

Die referierten Ergebnisse dieser Trendanalyse entsprechen in starkem Maße den weit umfangreicheren quantitativen und qualitativen Work-Life-Balance-Unter­suchungen im Management, die der Verfasser über einen Zeitraum von nahezu drei Jahrzehnten durchgeführt hat (siehe www.RScomment.de). Offensichtlich verfügen „Karriereorientierte“ über Werte-, Einstellungs- und Verhaltens­merkmale, die im Zeitablauf relativ konstant bleiben.


Insgesamt ist festzustellen, dass sowohl die aktionale, die mentale als auch die emotionale Bindung an die Arbeit bei den Befragten weit in deren Privatsphäre hinein­reicht. Das Leben gestaltet sich zu einem „Drahtseilakt“ im Dramadreieck von Arbeit, Freizeit und Partnerschaft. Diverse Dilemmata-Situationen müssen im Wechselspiel von selbstgesteckten und fremdgesteuerten Anforderungen und Erwartungen bewältigt werden. Dies drückt sich bspw. durch eine geringe Kommunikationsdauer zu den unmittelbaren Sozialpartnern, einen hohen quantitativen Umfang, der für die Arbeitswelt aufgewandt wird, geringe individuelle Freizeitnischen und durch bedeutsame Diskrepanzen in den Work-Life-Einschätzungen zwischen Wunsch und Wirklichkeit aus. Diese Dispositionen bergen bei einer übergewichtigen Karriereorientierung die Gefahr, dass die so „Erfolgreichen“ meinen, sie haben Erfolg ohne zu erkennen, dass der „Erfolg“ schon lange von ihnen Besitz eingenommen hat.


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