Mann und Frau im Kommunikationslilemma
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Kommunikation – verbal und
nonverbal – ist das zentrale Element im Umgang miteinander, oder wie es Paul
Watzlawick treffend formulierte: „Man
kann nicht nicht kommunizieren“.
(Watzlawick, P., u.a. 1996, S. 53) Bezogen auf erfolgreiche Partnerschaften
ging Nietzsche (vgl. Nietzsche, F., Werke Band II) sogar so weit zu behaupten,
dass eine langandauernde und dauerhaft zufriedenstellende Beziehung durch ein „langes Gespräch“ zwischen den
Beteiligten gekennzeichnet ist.
Warum fällt es dennoch schwer, insbesondere im verbalen Dialog zwischen den Geschlechtern, erfolgreich „im Gespräch“ zu bleiben? Gibt es geschlechtsspezifisches Kommunikationsverhalten bzw. unterschiedliche Kommunikationstypen und -arten? Sind die Gesprächsformen so different, dass sich hieraus „unbewusst“ latende bzw. manifeste Konfliktfelder ergeben, die den Erfolg im Beruf und in der Partnerschaft vermindern?
Warum Männer und Frauen oftmals aneinander vorbeireden, untersuchte Tannen näher (vgl. Tannen, D., 1997/2012). Sie recherchierte und analysierte unterschiedliche Gesprächssituationen und personelle Gesprächskonstellationen, so z.B. Paar- und Gruppenkommunikationen. Die Situationen bezogen sich bspw. darauf, wie geschlechtsspezifische Entscheidungen getroffen und Problemgespräche geführt werden. Weitere Kriterien waren, wie Informationen eingeholt bzw. weitergegeben, wie Hilfen gewährt werden oder in welcher Form um Unterstützung gebeten wird. Auch wurde untersucht, wie Männer und Frauen gleiche Sachverhalte unterschiedlich deuten und kommunikativ umsetzen.
Tannen bezeichnet dabei die Kommunikation als einen dauernden Drahtseilakt, bei dem mit den widersprüchlichen Bedürfnissen nach Intimität und Unabhängigkeit jongliert werden muss. Um in der Welt zu überleben, müssen Menschen in Übereinstimmung mit anderen handeln, aber um in dieser Welt als wir selbst und nicht nur als Rädchen im Getriebe zu überleben, müssen wir auch eigenständig handeln. Kommunikation wird von ihr demgemäß zwischen den Verhaltenspolen der Intimität und der Unabhängigkeit eingeordnet.
Dabei halten es viele Frauen für selbstverständlich, jede Kleinigkeit mit ihrem Partner zu besprechen, während Männer es häufiger als ganz normal finden, Entscheidungen allein zu fällen. Hier spiegelt sich vielleicht ein genereller Unterschied, was das Verständnis von Entscheidungsprozessen angeht, wider.
Als weiteres Unterschiedspaar - neben Intimität und Unabhängigkeit - zwischen Männern und Frauen führt Tannen die Aspekte Bindungsorientiertheit versus Statusorientiertheit ein. Männer sind in Gesprächen eher auf Statusrangeleien konzentriert. „Versucht der (die) andere, mich zu übertrumpfen oder mich herabzusetzen? Versuchet er (sie), eine überlegene Position einzunehmen, indem er (sie) mir Anweisungen gibt?“ Frauen sind häufig stärker auf das Aushandeln von Bindungen eingestimmt. „Versucht der (die) andere, mir näherzukommen oder will er (sie) sich distanzieren?“ Weil immer beide Elemente vorhanden sind, setzen Männer und Frauen leicht ganz unterschiedliche Schwerpunkte in ein und demselben Gespräch.
Als grundlegend für diese Erkenntnis führt die Autorin die unterschiedlichen Erziehungs- und Verhaltensformen von Jungen und Mädchen im Kindesalter an. So zeigen wissenschaftliche Untersuchungen z.B., dass Jungen eher im Freien spielen und in großen Gruppen, die hierarchisch strukturiert sind. Ihre Gruppen haben einen Anführer, der den anderen sagt, was wie zu tun ist. Durch die Erteilung von Anweisungen und ihre Durchsetzung wird der Status ausgehandelt. Mädchen hingegen spielen in Kleingruppen oder zu zweit und im Mittelpunkt des sozialen Lebens steht die beste Freundin. Innerhalb der Gruppe ist dabei Intimität von zentraler Bedeutung. Unterschiede bemessen sich nach dem Grad relativer Nähe. Ihre Spiele sind häufiger dadurch gekennzeichnet, dass es keine Gewinner oder Verlierer gibt. Mädchen sind nicht daran gewöhnt, offen um Statuspositionen zu konkurrieren. Ihnen liegt mehr daran, in Bindungen zu investieren.
Diese Entwicklung führt dazu, dass Frauen z.B. im Berufsleben größere Schwierigkeiten im Umgang mit Konfliktsituationen erleben als Männer. Eine solche Konfliktvermeidung führt jedoch oftmals lediglich zu einer Konfliktverlagerung, nicht selten zu einer Selbstanklage. Die Situation wird auf die eigene Person zurückgeführt.
Zuzüglich zu den hier konzentrierten vier Eckpunkten, Intimität, Unabhängigkeit, Statusorientiertheit und Bindungsorientiertheit eines geschlechtsspezifischen Kommunikationsrahmens weist Tannen den Frauen eher eine Beziehungssprache (Rapport-Talk), den Männern eher eine Berichtssprache (Report-Talk) zu. Report-Talk korrespondiert wiederum in starkem Maße mit den Typen der Unabhängigkeit und der Statusorientiertheit, wohingegen die Beziehungssprache die Eckpfeiler Intimität und Bindungsorientiertheit unterstützt.
Generell ist das problematischste im Gespräch zwischen Männern und Frauen die unterschiedliche Erwartungshaltung. Männer versuchen, die Sorgen des anderen zu „bearbeiten“, indem sie die Ursache des Problems aufgreifen. Weil Frauen aber eher erwarten, zunächst in ihren Gefühlen bestätigt zu werden, gibt die männliche Herangehensweise ihnen oftmals das Gefühl, selbst angegriffen zu werden.
Bezogen auf die familiäre Situation weist die Linguistin auf einen oftmals beobachtbaren Zustand hin, der in der unterschiedlichen Gewichtung des „gemütlichen Zuhauses“ liegt. Sie führt auf, dass für viele Männer das gemütliche Zuhause bedeutet, dass sie davon befreit sind, sich dauernd beweisen und durch sprachliche Darbietung glänzen zu müssen. Endlich fühlen sie sich in einer Situation, wo es nicht nötig ist, zu reden. Sie können intensiv schweigen, aber für Frauen ist das Zuhause der Ort, wo sie hemmungslos reden können und wo ihr Gesprächsbedürfnis am größten ist, weil hier die Menschen sind, die ihnen am nächsten stehen. Für sie bedeutet häusliche Entspannung, dass sie jetzt endlich frei über alles sprechen können.
Wie bereits erwähnt, schreibt Tannen den Frauen eher das Aufnehmen einer Beziehungssprache (Intimität) im privaten Raum und den Männern eher die Berichtssprache (Unabhängigkeit) im öffentlichen Rahmen zu. Gerade diese Erkenntnis könnte dazu beitragen, dass oftmals Führungskräfte entgegen den Bedürfnissen ihrer Lebenspartnerinnen die private Sphäre schweigsam gestalten, wohingegen die Partnerin gerade in diesem Raum die Kommunikation ausweiten möchte. Der Konflikt manifestiert sich somit in der Nichtberücksichtigung unterschiedlicher, geschlechtsspezifischer Erwartungshaltungen, hier nach Bindung und Intimität, dort nach Status und Unabhängigkeit.
Diese Konstellationen lassen mannigfache Konflikte erahnen, besonders in Manager-Beziehungen. Hochrangige Führungskräfte verfügen über knappe Partner-Zeitbudgets. Eine bewusste Partner-Kommunikation nach einem arbeitsreichen Tag findet von Managerseite oftmals lediglich im Minutenbereich nach einem Arbeitstag statt (vgl. u.a. Streich, 2012). Das Umfeld – insbesondere weitere Familienangehörige – bewerten i. d. R. die Zeit des berufstätigen Mannes, speziell eines Top-Managers, zudem als kostbarer als die Zeit seiner u. U. nicht berufstätigen Partnerin. Diese Zeitknappheit und Zeitbewertung sind aber offensichtlich noch gekennzeichnet durch die von Tannen aufgezeigten unterschiedlichen Kommunikationsbedürfnisse und -formen.
Die gemeinsame Zeit zur Behebung solcher Kommunikationsmissverständnisse wird oftmals als so gering eingeschätzt, dass sich die sprachlich unterschiedlichen Ausgangspositionen nicht eindeutig klären lassen. Manche Themen werden in Folge bewusst oder unbewusst aus der Kommunikation herausgenommen
Die vorliegenden, ungeklärten Negativerfahrungen mit diesen „Tabuthemen“ werden nicht ausdiskutiert. Schlimmstenfalls entwickeln die Paare hierdurch individuell ihre eigene Gedanken- und Handlungswelt fernab von den vor Jahren postulierten Gemeinsamkeiten.
Die unterschiedlichen Kommunikationspräferenzen der Geschlechter beinhalten im beruflichen Kontext mannigfaltiges Konfliktpotenzial. Dies trifft zu, sowohl im verbalen Dialog zwischen Mann und Frau, in den Rollen Führungskraft, KollegInnen und MitarbeiterInnen als auch im Gesprächskontakt mit Externen (KundInnen, LieferantInnen etc.). Die geschlechtsspezifischen Kommunikationsformen zwischen Mann und Frau haben Einfluss auf Erfolg bzw. Misserfolg im Berufsleben.
Auch gleichgeschlechtliche Kommunikationsprozesse im Beruf (Mann mit Mann/Frau mit Frau) sind - wie bereits erwähnt - nicht problemfrei. Während Männer sich z.B. kommunikativ eher status- und ergebnisorientiert und damit zumindest konkurrierend ggü. dem Geschlechtsgenossen und irritierend gegenüber dem weiblichen Geschlecht verhalten, kommunizieren Frauen vorrangig beziehungs- und bindungsorientiert u. U. in Vernachlässigung von Zeitrestriktionen und den zu bewältigenden Sachaufgaben.
Als ein Ausweg aus solchen Gefahren, der allerdings auch Zeit kostet, bietet sich die Meta-Kommunikation an, d.h. das Gespräch über die Art und Weise der gemeinsamen Kommunikation. Nicht das was diskutiert wurde, steht dabei im Vordergrund, sondern das Wie des kommunikativen Umgangs. Mit welchen Vorannahmen ging ich in das Gespräch? Welche eigenen Vorstellungen an Intimität versus Unabhängigkeit oder Bindungs- versus Statusorientiertheit habe ich in welche rational erscheinenden Argumente „verpackt“? Inwieweit spiegelte das Wie der Kommunikation auch unsere Beziehung wider? Wann habe ich warum angefangen, meinem Gegenüber nicht mehr aktiv zuzuhören?
Derartige Gespräche zu initiieren, sollte Verpflichtung für beide Kommunikationspartner sein, wenn sie ihr Gegenüber ehrlich interessiert.
Auf die Lebenswelt des Managers bezogen, ist zu beobachten, dass in nahezu allen Führungskräfte-Seminaren dem Thema (Mitarbeiter-)Kommunikation breitester Raum eingeräumt wird. Der Transfer dieses Wissens in individuelles Handeln ist sowohl beruflich als auch privat jedoch nur selten zu beobachten. Offensichtlich scheuen Manager die Meta-Kommunikation mit ihrem Gegenüber. Tannens Analyse zeigt vielleicht, warum. Wenn Männer Kommunikation eher als Konkurrenzsituation um Status und zur Demonstration ihrer Unabhängigkeit ansehen, erklärt dies einiges der mangelhaften Umsetzung. Meta-Kommunikation fördert vornehmlich bindungsorientierte und intime Gespräche. Der Wunsch nach einer besseren Beziehung steht im Vordergrund. Es werden also genau jene Kommunikationsaspekte verlangt, die eher dem weiblichen Gesprächsverhalten entsprechen.
Zentrale Bedeutung hat die Prüfung des eigenen Kommunikationsverhaltens mit gleichgeschlechtlichen und nicht gleichgeschlechtlichen Kommunikationspartnern unter Berücksichtigung der oben genannten Ausführungen. Ziel sollte es sein, die sprachlichen Eigenheiten des anderen nicht als persönlichen „Geschlechterkampf“ wahrzunehmen, sondern sie zu verstehen und zu akzeptieren. Aus dieser Position heraus lassen sich Gemeinsamkeiten entwickeln, mit der Möglichkeit eines beiderseitigen Lernprozesses.
Literaturverzeichnis
Nietzsche, F.: Werke Band II Zitat aus: www.Hochzeitssprüche.org
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 1-3, rororo, Reinbeck/Hamburg, 2011.
Streich, R.K.: COMMENT-STUDIE: Manager-Lifebalance und Lifebalance-Management, Paderborn, 2012.
Tannen, D.: Job Talk, München, 1997.
Tannen, D.: Du kannst mich einfach nicht verstehen, München, 6. Auflage, 2012.
Watzlawick, P./Beavin,J/Jackson, D.: Menschliche Kommunikation - Formen, Störungen, Paradoxien, Bern/Stuttgart/Wien 1996.
Watzlawick, P.: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?, Piper, München, 2005.