Verhaltensanalogien zwischen Mensch und Tier im beruflichen Revier!


Das menschliche Verhalten in Organisationen ist – mit einem gewissen Schmunzeln versehen – vielfach vergleichbar mit tierischen Handlungsweisen in der freien Natur. Wer kennt sie nicht, diese Organisationen? Wie bei Wühlmäusen ist das Terrain der einzelnen Mitarbeiter exakt abgegrenzt. Der Blick nach außen wird gar nicht erst gewagt.

 

Die Dicke der Erdschicht zwischen der Oberflächenrealität und dem eigenen Standort wächst von Tag zu Tag. Die Wühlmäuse in diesen Unternehmen halten sich für sehr erfolgreich. Konflikte sind selten. Quertreiber verlassen bald die Organisation oder werden erst gar nicht eingestellt. Die rechtzeitige Wahrnehmung von Neuem scheitert oftmals am dicken Fell. Ändern sich die Umweltbedingungen der Unternehmung, reagieren die Mitglieder dieser Organisation wie Lemminge. Sie folgen aufgrund der fehlenden Außensicht unkritisch ihrem Leithammel – nicht selten der Einäugige unter Blinden – auf Gedeih und Verderb, auch wenn es gemeinsam in den Abgrund geht.

 

Es gibt jedoch auch andere Unternehmenstypen. Mitunter sagen Außenstehende: „Da geht es zu wie im Affenstall.“ Es herrscht betriebsame Hektik. Von Einigkeit ist überhaupt nichts zu merken. Irgendwelche Meinungsverschiedenheiten werden permanent ausgetragen. Die Sinnesorgane dieser Organisationen sind jedoch auf Außenreize empfindlich wie bei einem Delphin. Tut sich irgendetwas, wird es bald in ihre Sensoren geraten.

 

Die Arbeitsweise dieser Unternehmen kann mit der eines Wolfsrudels verglichen werden. Die einzelnen Wölfe durchstreifen ihr Gebiet. Sichtet einer von ihnen Beute, heult er laut und holt seine Kollegen zu Hilfe. Eine solche Wolfsrudel-Taktik, in der Vergangenheit auch schon erfolgreich in der Seekriegsführung angewandt, wird immer dann erfolgreich sein, wenn es darum geht, rasch Beute zu machen.

 

Diese beiden Organisationsformen – hier mit der Tierwelt verglichen – stellen zwei beispielhafte Extreme dar. Dennoch kann man sie oft in der Realität beobachten. Mitunter werden auch in einem Unternehmen in unterschiedlichen Abteilungen – je nach Stallgeruch – beide Formen anzutreffen sein, was zu Revierkämpfen zwischen den betreffenden Bereichen führen kann. Den einen oder anderen Effekt pauschal als gut oder schlecht zu bezeichnen – dies kann man sicherlich nicht. Es kommt darauf an, in welcher Umwelt sich ein Unternehmen bewegt.

 

Arbeitet ein Unternehmen in einer Umwelt mit wenigen oder lang vorhersehbaren Change-Prozessen, ist es sicherlich günstig, in Form von Wühlmäusen oder Lemmingen vorzugehen. Die Anpassungsfähigkeit der Organisation nach außen wird kaum gefordert. Der Reibungsverlust ist gering. Für manche organisatorische Regelung ist – überspitzt gesagt – der Letzte, der wusste, warum man es so machen soll, bereits in Pension gegangen. Dennoch läuft alles reibungslos weiter. Die Mitarbeiter leben stumm wie Fische und stur wie Ochsen mit der Vergangenheit.

 

Wehe aber, diese Unternehmung gerät in etwas turbulenteres Fahrwasser. Change- Vorhaben scheitern nicht nur daran, dass die organisatorischen Regelungen nicht flexibel genug ausgelegt sind. Die Zusammensetzung der Mitarbeiter dieser Organisation - sei es durch eine einheitliche Einstellungspolitik oder eine forcierte Anpassung von neuen Mitarbeitern – ist derart starr auf die bestehenden Verhältnisse ausgerichtet, dass die Mitarbeiter bei Einstellungs- und Verhaltensänderungen erhebliche Widerstände zu überwinden haben.

 

Die ohnehin wenigen kritikfähigen und risikofreudigen bzw. ideenreichen Arbeitnehmer neigen in diesen Organisationen – besonders, wenn sie nicht in den Change-Prozess einbezogen werden – nach einer Phase des Auflehnens zur „inneren Kündigung“, oder sie sehen sich auf dem externen Arbeitsmarkt um. Welche Konsequenzen können damit verbunden sein? Die besten bzw. die jüngsten Mitarbeiter (inkl. Führungskräfte) gehen zuerst. Die schlechtesten bzw. die älteren Arbeitnehmer bleiben übrig.

 

Projektteams verlieren ihre kreativen Köpfe. Selbst Routineentscheidungen werden langsamer getroffen, da alle auf das „vermeintliche Ende“ der Reorganisation und auf neue Direktiven warten. Die Produktivität sinkt, obwohl sie durch die Reorganisations­maßnahmen gesteigert werden soll, da die Zugpferde fehlen. Das Unternehmen erleidet zudem einen weiteren Image-Verlust auf dem externen Stellenmarkt. In Analogie zur Tierwelt: Das Territorium wird unattraktiv, der Reproduktionsfaktor zur Arterhaltung sinkt.

 

Anders die Flexibilitäts-Voraussetzungen der Wolfsrudel-Organisation. Gerät sie in größere Umweltturbulenzen, kann sie rasch und sensibel auf neue Entwicklungen reagieren und sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Bei sich stark wandelnden Umweltbedingungen zeigt sich der Vorteil dieses Organisationstyps. Besitzt sie jedoch eine stabile Umwelt, wird sehr viel Eigendynamik aufgewandt, die die Marktbedingungen des Unternehmens gar nicht erfordern. Dadurch werden Ressourcen verpulvert, die anderweitig besser genutzt werden könnten.




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